Als ich in der Orientierungsstufe war, hatten wir eine Schulpsychologin. Schwester M. In der Pausenhalle hing ein Plakat mit einem Vogel in Krankenschwesterkleidung. Probleme, Sorgen, Nöte? Schwester M. ist für dich da. In der ersten und zweiten großen Pause, Raum 103, neben dem Lehrerzimmer.
Mal davon abgesehen, dass sich alle über diese Frau lustig gemacht haben, kann ich mich nicht erinnern, dass dort jemand freiwillig hingegangen ist.
Ich musste es ein mal. Meine Mathelehrerin fing mich kurz nach der Stunde ab und wies mich an in der Pause zu ihr zu gehen. Auf meine Frage nach dem warum, sagte sie nur: weil du Probleme hast. Rumms, weg war sie.
Ich wollte nicht, aber die Angst vor der Mathelehrerin und der Konsequenzen überwiegte.
Komisch, damals war mir überhaupt nicht bewusst, dass ich auch Rechte habe. Dass mich niemand zu etwas zwingen kann. Ich habe lange in dem Glauben gelebt ich seie ein entmündigtes Kind, das jeder Aufforderung Folge leisten muss. Egal wie Unsinnig diese auch ist und von wem sie kommt.
Naja, ich ging also zu Schwester M. Die Tür war offen, ich traute mich aber nicht reinzugehen. Von drinnen kamen Stimmen – es ging um ein Mädchen und ihre Probleme mit dem morgendlichen zu spät kommen.
Sehr diskret… toll.
Irgendwann wurde ich dann reingerufen. Schwester M. fragte mich wieso ich da seie? Wusste ich nicht. Meine Lehrerin hat mich geschickt.
Hast du Probleme in der Schule? Du siehst so traurig aus. Und deine Eltern?
Nach langem hin und her brach es dann aus mir heraus. Meine Angst. Angst vor meinen Mitschülern, meinen Lehrern. Davor angesprochen zu werden. Dem unendlichen Ärger mit meinen Eltern. Die Ungerechtigkeit. Meine Hilflosigkeit. Wäre ich tot, wär alles besser. Ich halte das nicht mehr aus.
Ja, so sagte ich das. Sie sah mich nur erschrocken an. Ich bräuchte keine Angst zu haben. Ich solle doch mal mit meinen Eltern reden. Die Zeit seie nun auch um, der Unterricht beginne gleich.
In der Klasse saß ich dann mit verheultem Gesicht. Verwirrt und Durcheinander. Voller Scham, dass ich dieser Frau so viel erzählt hatte. Und unendlich enttäuscht, dass sie mich nicht verstanden hat. Ich dachte über Suizid nach. Ob mich dann jemand verstehen würde?
Zuhause erzählte ich irgendwann meiner Mutter von dem Gespräch mit der Psychologin. Sie sah mich nur erschrocken an. „Die spinnen wohl! Du hast da hoffentlich nichts unsinniges erzählt?“
Nein, habe ich nicht. Unsinnig schon gar nicht. Und ich würde nie wieder irgendwem von meinen schwachsinnigen Problemen erzählen.
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